Rudolf L. Reiter - Wandlung eines Künstlers
Den Maler mit den zwei Seelen hat man Rudolf L. Reiter einmal genannt. Einen Künstler, der sein Publikum mit häufigen Stilwechseln irritiert: stim- mungsvolle Landschaftsbilder hier, informelle Ma- lerei da. Tatsächlich scheinen die Landschaften, in denen Reiter alle Malspuren tilgt und die Über- gänge so unverkennbar fließen lässt, nicht viel zu tun zu haben mit den informellen Bildern, auf de- nen vielschichtige Farb-Form-Strukturen vor allem den Prozess ihrer Entstehung sichtbar machen. Genauso gut könnte man allerdings formulieren, die Landschaften seien abstrakt, weil sie auf in- neren Bildern, auf Erinnerung beruhen, und die informelle Malerei gegenständlich, weil sie die bildnerischen Mittel unmittelbar zeigt. Was aber verbindet die beiden Werkgruppen, die seit zwei Jahrzehnten nebeneinander entstehen? Und ist es nicht dieselbe Idee, die hinter der Landschafts- und Informell-Malerei steht? Eine These, die sich am besten anhand einiger kunsttheoretischer und philosophischer Überlegungen der Moderne dis- kutieren lässt, welche sich im Denken und in der Kunst Rudolf L. Reiters wiederfinden. Metamorphosen sind das zentrale Thema in Rei- ters Arbeit: die ständige Verwandlung und Verän- derung der Natur, der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen, wozu auch Reiters Glaube an die Wiedergeburt gehört. Grundlage dafür ist jedoch eine bestimmte Vorstellung von der Natur, näm- lich die Unterscheidung zwischen der natura na- turans, der Natur in ihrer schöpferischen Tätigkeit, ihre Urkräfte und Metamorphosen, und der natura naturats, dem Abbild, der Erscheinung der Na- tur, die erst aus der natura naturans hervorgeht. Natura naturans ist also das, was hinter der er- scheinenden Natur liegt, und das ist es, was Ru- dolf L. Reiter sichtbar zu machen versucht. In den Landschaftsbildern genauso wie in der infor- mellen Malerei, wenn auch in anderer Form. Rei- ter macht keine Skizzen vor der Natur, er ist auch kein Pleinair-Maler, sondern gibt nur seine inne- ren Bilder wieder - einzelne Motive, die Symbole einer schöpferischen Tätigkeit sind. Zum Beispiel verweist der Regenbogen auf die Verbindung von Himmel und Erde, von Schöpfer und Geschöpf, die Rückenfigur auf einenWanderer zwischen den Welten. In den informellen Bildstrukturen wiede- rum stellt Reiter dar, wie die schöpferischen Kräf- te und Energien während des Malprozesses auf ihn einwirken. Jene Kräfte, die in den 40er Jahren schon Willi Baumeister in seiner Schrift “Das Un- bekannte in der Kunst“ beschrieben hat. Über die Panta rhei, Ausschnitt, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm, 2009
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