Rudolf L. Reiter - Gegen den Strom

49 um das abzurufen. Als einmalig sieht er sich da keineswegs. Es würde auch andere geben, die das machen. Gleichzeitig spricht Reiter von dieser „Genialität der Kunst“ und von „Ein- zigar tigkeit“: „Das kann man nicht lernen.“ Nur die Methode oder Ar t der Anwendung sei in gewisser Weise von jedem erlernbar. Bildtitel scheinen Hinweise zu geben, was sich hinter den in- formellen Bildern verbergen könnte: „Stimme des Lebens“, „Quelle und Schöpfung“, „Reflexionen der Unendlichkeit“ oder „Pax Vobiscum“. „Odyssee im Weltall“ nennt er 2016 ein neues Werk. Doch der Titel könne eine Wahrnehmungs- falle – und nicht die einzige – sein, in die der Maler den Be- trachter seiner Bilder hineinlockt, gibt Reiter zu bedenken. 2014 hat der Maler ein 120 x 160 cm großes Leinwandbild mit dem Titel „Kosmos“ geschaffen. Intensives Rot und Gelb bestimmen den ersten Eindruck. Sie dominieren die anderen Farben, das unbestimmte Braun, das Grün da und dor t und Weiß- und Hellblautöne, welche die oberste und unterste Farbschicht bilden. Das Bild explodier t aus einem leicht ver- setz ten Mittelpunkt heraus. Ein angedeuteter Segmentbogen, der sich ganz an der Oberfläche von links unten nach rechts oben über das Ganze hinwegzieht, schafft Dynamik und Span- nung. Was komponier t wirken könnte, entspringt offensicht- lich dem unbewussten Blick des Kunstschaffenden für das Richtige. „Kosmos“ ist ganz und gar deutungsoffen, gäbe es nicht den Titel und wüsste man nicht um Reiters Philosophie. Ist es also ein kurzer Moment des Schauens und damit der Einsicht („Ein-Sicht“) in jenen Moment der Schöpfung, als beim „Big Bang“ aus einem Nullpunkt heraus das Universum entstand, als sich Plasma verfestigte und der neue Kosmos erstmals sichtbar wurde? Zudem erinnern die vagen Formen bereits an Sternennebel wie „Die Säulen der Schöpfung“. In diesen interstellaren Wolken aus Staub und Gas bilden sich Sonnen und möglicherweise Planeten und weitere Objekte. Nach der Philosophie Reiters wäre das kein Zufall, sondern Wille der Schöpfung oder Gottes. Ob sein Blick in diese Anderswelt tatsächlich so konkret zu verstehen ist, müsste offenbleiben, würde der Künstler nicht indirekt zustimmen, wenn er äußer t: „Meine Bilder sind wie Ausblicke in fremde Kosmen, in denen sich Farbschichten wie intergalaktische Nebel übereinanderlegen.“

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjk=