Rudolf L. Reiter - Gegen den Strom
47 Reiter arbeitet an großfor- matigen Leinwänden in den Räumen einer befreundeten Druckerei Der informelle Schöpfungsakt 1968 begann Reiter, kleinformatige informelle Bilder zu ma- len. Im Grunde wusste er nicht, was er tat. Die Begriffe In- formel oder Abstrakter Expressionismus waren ihm nicht geläufig. Das änder te sich natürlich. Er lernte Gemälde von Emil Schumacher, Fred Thieler, Otto Götze und Wols kennen. Diese deutschen Künstler seien aber von Naturerscheinungen ausgegangen, erklär t Reiter. Sie hätten beispielsweise abster- bende Pflanzen umgesetz t. Das Erschaute in anderer Form wiederzugeben, ist für ihn Abstrahierung, doch nicht der Inbegriff des Informel. Da gehe es um die Wiedergabe von nichtstofflich Existierendem in Form, Farbe und Struktur. Für Reiter geht es beim Informel, zumindest seiner Version des Informel, um die „pure Kraft und Energie aus dem Jenseitigen und der Anderswelt“. Diese uns umgebende Energie gelte es sichtbar zu machen. Rudolf L. Reiter bekennt sich zu seinem Glauben an einen Schöpfer und Gott. Gott sei nicht zeigbar, dennoch existiere er und sei um Reiter. Diese Energie spüre er. Er ist überzeugt: „Die Energie, die von Gott kommt, kann nur der informelle Maler malen.“ Die göttliche Energie könne auch nur dieser für Dritte sicht- und erlebbar machen. Konsequent betrachtet Reiter das Neuschaffen eines infor- mellen Bildes als Schöpfungsakt: „Das ist Liebe, Blut, Sperma, Gebur t, Tod.“ Dazu legt er meditative Musik auf, gerne Wer- ke der Klassik wie Grieg oder Wagner. Die Musik muss Höhen und Tiefen haben. Dann geht es ans „Malen“. Über einen nor- malen Kreidegrund einer Leinwand legt Reiter einen leichten Ton an, meist blau oder ocker. Darauf wird stark verdünnte Farbe geschüttet und zwar „aus der Emotion heraus“. Ratio oder gar Skizzen haben hier nichts verloren, wären nicht nur kontraproduktiv, sondern stünden in Widerspruch zum infor- mellen Prozess. So ergibt sich eine erste, dünne Lasur. In den weiteren Arbeitsprozessen wird die Farbe immer pastoser. Sie wird geschüttet, vermalt, mit Gummiwalze und Rakel ver- teilt, mit Lumpen oder Fließpapier abgetragen. Oft erlebt Rei- ter „Panikattacken“, wenn sich die Mitte der Leinwand durch den Auftrag so vieler Farben absenkt. Es gab Fälle, wo sich al-
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