Rudolf L. Reiter - Gegen den Strom
46 R. L. Reiter „In Liebe dein...“ Öl auf Papier, 1972 Hilde Amalie Reiter, † 2009 Widersprüche? Dann ist da das große Ölgemälde „Reinheit – Treue – Schöp- ferkraft – Erleuchtung“ von 2011. Auf seiner linken Seite wirkt es wie ein ins Monumentale gehöhter Ausschnitt eines Seero- sen-Bildes. Auf der rechten Seite jedoch ist ein Mensch zu se- hen und zwar wie durchleuchtet. Der Betrachter sieht unter der nur angedeuteten äußeren Hülle rote und gelbe Blut- und/oder Nervenbahnen. Hinter dieser Figur, die nur bis zum Brustbereich wiedergegeben ist, ist das Gesicht einer zweiten Person zu sehen. 2011… Das Jahr gibt zu denken. 2009 war Reiters Ehefrau ge- storben. 2011 präsentiert er das ganz frische Gemälde bei einer Ausstellung in seiner Heimatstadt und wirbt für den Verbleib in der Sammlung Rudolf L. Reiter. Wieder ist dem Künstler ein Werk voller Widersprüche beson- ders wichtig. Sensibilisiert für die Biografie Reiters fällt es nicht schwer, in den beiden Figuren Rudolf L. Reiter und dahinter Hilde Reiter zu vermuten: die zurückgenommen agierende starke Frau hinter dem sensiblen Künstler. Sie durchpulst selbst noch als Ver- storbene seine Blut- und Nervenbahnen. Beide blicken sie hin zur voll erblühten Seerose. Im alten Ägypten war der Lotos (wohl eher eine Wasserlilie) das Symbol für Regeneration und Aufer- stehung, denn abends tauchten die sich schließenden Blüten zu- rück ins Wasser, um sich morgens wieder daraus zu erheben. So drückt das Gemälde eine tiefe Hoffnung nach einem Wiederse- hen und neuem gemeinsamen Leben mit der Verstorbenen aus. All diese Gebrochenheit im Schaffen des Malers lässt die Stringenz der fest zuzuordnenden Werkkreise sehr deutlich hervortreten. Doch gerade die Unmöglichkeit, von einem der einmal erarbeite- ten Stile zu lassen, spricht für deren Bedeutung für den Künstler. Dieser nützt lieber die ganze Bandbreite seines Könnens, spielt auf einer stilistischen Klaviatur, als eine bemühte, gar Kunstmarkt gerechte Beschränkung zu forcieren. „Reinheit – Treue – Schöpferkraft – Erleuchtung“ macht klar, dass Rudolf L. Reiter nicht am schönen Augen-Blick gelegen ist. Dazu sind die beiden durchscheinenden Gestalten zu irritierend. Seine Werke haben Aussagen. Hinter ihnen verbergen sich Philo- sophie und Glaube des Künstlers.
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