Rudolf L. Reiter - Gegen den Strom

34 Eine Burg auf einem Berg… Der Blick dahin schweift über ei- nen kreuzbekrönten Gipfel und in die blaue Weite der kargen Landschaft. Ein zweiter Blick geht zu einem weiteren Gipfel, auf dem sich trotzig ein einsamer Baum erhebt. Der dritte Blick entdeckt einen winzigen Wanderer inmitten dieses Ge- birges, der selbstbewusst seines Weges geht. „Seelen der Unendlichkeit“ nennt der Künstler Rudolf L. Rei- ter dieses Triptychon. Das dreiteilige Werk ist stolze 3,60 Meter breit und 1,20 Meter hoch. Wer davorsteht, taucht in die blaue Gebirgslandschaft ein, wird förmlich hineingeso- gen in diese Traumwelt zwischen realen Anklängen an Ho- henschwangau, Neuschwanstein und Ludwig II. und roman- tisch-irrealer Wirkung. Das alles kommt nicht von ungefähr. „Seelen der Unendlich- keit“ zählt der Künstler stilistisch zu seinen Werken der „Ro- mantischen Moderne“. Gleichzeitig trägt es Züge eines weite- ren Stils, dessen sich Reiter bedient, ein Stil, der laut eigenem Bekunden zwischen abstraktem Expressionismus und Informel einzuordnen ist. Deshalb kann der Betrachter eine Gebirgs- landschaft mit Burg, Baum und Wanderer erkennen, wäh- rend sich die Landschaft in Farbwolken und Pigmentschlieren auflöst oder vielmehr nie als solche vorhanden war und nur durch ihren visuellen Reiz im Kopf des Betrachters entsteht. Während viele Gemälde im Reiter‘schen Œuvre auf den ersten Blick entweder der gegenständlichen oder der nicht-gegen- ständlichen Malerei zugeordnet werden können, verschwim- men diese Grenzen bei genauerer Betrachtung. Einerseits tauchen Werke wie die nicht nur durch ihre zeitliche Nähe, Inhalt und Stilistik verwandten „Seelen der Unendlichkeit“, „Landstreicher“ oder „Nordland“ auf. Andererseits verschlei- ern die klar an Caspar David Friedrich und die romantische Malerei des 19. Jahrhunder ts angelehnten früheren Gemälde wie noch der Hamsun-Zyklus „Nordland“ von 2011 alles „Ge- machte“. Das hatte bei den Vorbildern die Handschrift des Künstlers dargestellt. Oft wurde der Strich oder jede andere Ar t von Struktur als bewusstes Element der Malerei einge- I. Der Blick in die Anderswelt Seelen der Unendlichkeit 38 Landstreicher Öl auf Leinwand 140 x 120 cm | 2014 Caspar David Friedrich „Mondaufgang am Meer“ Öl auf Leinwand, 1820 R. L. Reiter „Landstreicher“ Öl auf Leinwand, 140 x 120 cm, 2014

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