Rudolf L. Reiter - Gegen den Strom

296 „Ich schaue auf das fließende Wasser und staune, als hätte ich noch nie Sonne, Wolken und Sterne gesehen – alles fließt.“ Panta Rhei Wie soll ich jetzt weiterleben, wenn man von einem Moment auf den anderen aus der Lebensbahn gewor- fen wird, wenn der Tod einem alles raubt, was man ist und war. Alles für die Zukunft Erträumte ist ausgeträumt. Das Bild der verstorbenen Hilde Reiter ist vielleicht auf den ersten Blick nicht eines der erbaulichsten Bil- der des Künstlers, aber eines der eindringlichsten. Über einen Zeitraum von acht Monaten fertigte Reiter geradezu obsessiv zahllose Porträts und Zeichnungen – zahllose Fotografien von seiner geliebten Frau an und begleitete sie so auf ihrem letzten Lebensweg. Das Thema Verfall und Tod hatte ihn schon oft beschäf- tigt. Das Sterben der eigenen Frau wird Bestandteil von künstlerischer Trauerarbeit. Drei einschneiden- de Erfahrungen, betont Reiter, haben sein Leben und seine Kunst geprägt: die Geburt seines Enkels Ferdi 2005, die Krankheit seiner Gattin Hilde 2008 und ihr Tod 2009. Reiter hat das Gesicht seiner Frau Hilde mit größe- rer Genauigkeit wiedergegeben als ihre Kleidung und Hände. Somit vermittelt er dem Betrachter indirekt, die Verblichene lebe fast nur noch in seinem Geiste, in seinen Träumen. Sie hat sich schon ein Stück weit in sich selbst zurückgezogen – in eine andere, flimmern- de Welt, in ein anderes Sein. Gleichzeitig hat man das Gefühl, dass nicht nur in der Wahrnehmung der Erkrankten Außen- und Innenwelt fast psychotisch miteinander verschmelzen, sondern dass auch für den Maler das Leiden von Hilde Amalie alle In memoriam Hilde Amalie Reiter

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