Rudolf L. Reiter
Auf jene geistige Haltung, die immer wieder als die wesentliche Quelle für die künstlerische Arbeit Rudolf L. Reiters genannt wurde. Mit einiger Berechtigung. Denn drei wesentliche Aspekte in seinem Denken lassen sich auf eine Romantik-Rezeption zurückführen: die Sehnsucht nach einer Einheit mit der Natur, die Sehnsucht nach Unendlichkeit, nach Transzendenz, sowie der sentimentalische Blick in die Vergangenheit, auf das Ursprüngliche. Reiter hat diese Deutung selbst noch befördert, als er sich nach der Wende nach Ostdeutschland aufmachte, um dort den Spuren von Caspar David Friedrich zu folgen. Auf Rügen kletterte er in den Kreidefelsen, filmte dort eineinhalb Stunden lang einen Sonnenuntergang, und in der Kirchenruine Eldena legte er sich auf einen Grabstein und meditierte. „Moderner Romantiker“ war deshalb auch die Bezeichnung, die sich für den Landschaftkreierer Reiter durchsetzte. Doch kann man die Romantik- Rezeption gleichermaßen auf die informelle Malerei beziehen - eine Malerei, bei deren Schaffensakt Künstler und Natur im Sinne Baumeisters zu einem Handelnden verschmelzen und in deren Werken die transzendente Natur, die natura naturans, sichtbar wird. Insbesondere die Materialbilder, die in den 90er Jahren entstanden, machen dabei Reiters romantische Suche nach dem Ursprünglichen und Archaischen anschaulich: Kultische Gegenstände, Runenzeichen und andere Archetypen treten hier aus der Bildstruktur hervor und verweisen auf Vergangenheit und die zeitliche Dimension der Malerei. Auf einer konkreteren Ebene scheint es leichter zu sein, eine Verbindung zur Romantik herzustellen, eine Nähe der Landschaftsbilder etwa zu jenen von Caspar David Friedrich. Nicht allerdings, was den Malstil betrifft. Reiters diffuser Farbauftrag, die weichen Übergänge und Verwischungen geben seinen Landschaften etwas Unbestimmtes, die Form Auflösendes, das den klaren Umrissen Friedrichs gegenübersteht. Gleichzeitig sind jedoch auch sie erfüllt und aufgeladen mit einer Symbolik, die schon der romantische Landschaftsmaler Carl Gustav Carus in seinen „Neun Briefen über Landschaftsmalerei“ beschrieben hat. Die Natur, also Blume, Wolken, Wald, so legte er dar, „sind doch zuhöchst nur unendlich wechselnde Erscheinungen ewiger Gedanken jenes einen höchsten Mysteriums, welches wir Gott Seite I 33
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