Rudolf L. Reiter
Seite I 306 I 307 gefühlt, erklärt Reiter. Seinen Traum, über mehrere Wochen auf der Insel drei großformatige Gemälde in einer offenen Lavaspalte der Hitze und den Dämpfen auszusetzen, verwirklicht er im Sommer 2006. Wärme und Gase arbeiten an den von Menschenhand gestalteten Bildnissen. „Der Mensch gibt ab, löst sich“ dabei von seinen Vorstellungen und übergibt, wie Reiter betont, dem natürlichen Geschehen, dem Zufall darin, die Handlungsmacht. Den Prozess versteht er als Sinnbild für den ewigen Lauf des Kommen und Gehens im Leben. Nichts kann man auf ewig festhalten, auch nicht die Kunst. „Alles fließt, panta rhei“. Feuer in Mythologie und Philosophie Seit Jahren beschäftigt sich Rudolf Reiter mit Vorstellungen der alten Kulturen zu den vier Elementen, mit Mythologien und Schöpfungserzählungen. So entdeckte er bei den Sumerern den Glauben, dass das Universum von einem Pantheon regiert würde, an dessen Spitze die vier Gottheiten standen: der Himmelsgott Anu, die Erdgöttin Ki, der Sturmgott Enlil und derWassergott Enki. Himmel, Erde, Luft und Wasser, die vier Elemente, aus denen setzte sich die Welt zusammen. In der chinesischen Mythologie unter Fu-hsi, dem ersten der legendären Zehn Kaiser, wird der Erde das Hexagramm K’un zugeschrieben, als das Empfangende, die Mutter, das Weibliche symbolisierend. Rudolf Reiters Gedanken kreisen jedoch stärker um das griechische „Panta rhei“ („alles fließt“). Das berühmte Wort wird Heraklit (500 v. Chr.) zugeschrieben. Der Philosoph sah in der Natur den Wandel als grundlegendes Prinzip an, so wie es im Fließen des Wassers sichtbar wird. Aus der Sicht der heutigen Physik würde man sagen, dass nur das Fließen, die dauernde Veränderung, dem Menschen begreifbar ist. Das Element Feuer wird bei Heraklit zum Bild für das Leben als Einheit von Erfüllung und Unerfülltheit. Denn der Mensch läuft dauernd Gefahr, die größten Güter als etwas Selbstverständliches und nicht mehr als Geschenk zu erleben. „Das Feuer existiert nur dadurch, dass es, indem es etwas verbrennt, sich sättigt, es ist ständig unbefriedigt und will auf anderes übergreifen.“ (Ricken, Philosophie der Antike, 1988) Wenn man Foto: Emil Pór Sigurdsson
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