Rudolf L. Reiter
Seite I 302 I 303 Von der verwandelnden Kraft des Feuers – die Metamorphose als künstlerisches Prinzip in Rudolfs Reiters bildnerischem Werk Als der Prophet Moses groß war, tötete er einen Ägypter, der einen Hebräer umgebracht hatte. Moses floh daraufhin aus Ägypten. Da erschien ihm Gott in einem brennenden Dornbusch und befahl ihm, nach Ägypten zurückzukehren und sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien. Innere Umkehr und Freiheit für die Menschen fordert dieser zentrale Text aus dem Alten Testament. Gott erscheint darin im Feuer und erinnert den Mann daran, dass es noch etwas anderes im Leben gibt als Überlebenskampf. Moses erschreckt das unerwartete Feuer, ein metaphorisches Bild dafür, dass der Mensch Grundlegendes erkennt. Folglich wird Moses sein Volk durch das Wasser in Freiheit führen. Den Weg in das gelobte Land als innere Umkehr eines Menschen (griech. Metanoia) markieren in der Bibel die Elemente Wasser und Feuer. Feuer und Wasser, Erde und Luft, die vier Elemente des Lebens bewegen seit Jahrtausenden das Denken von Dichtern und Philosophen. Diese Kräfte der Natur bestimmen seit zehn Jahren auch die künstlerischen Arbeiten von Rudolf Reiter. Denn am 11. September 1995 hat ein Feuer apokalyptischen Ausmaßes Reiters Erdinger Atelier samt Haus in Schutt und Asche gelegt. Urplötzlich hatten sich Bilder, Farben, Malmaterialien und das Inventar entzündet. Nach dem Feuersturm war das Haus der Familie unbewohnbar. Damals begann der Künstler seine Arbeit im Atelier wie jeden Morgen. Mit einem meditativen Ritual, bei dem er erst seinen gusseisernen Ofen beheizt und dann klassische Musik auflegt. Gewöhnlich treffen zu dieser Zeit seine drei Assistenten ein. Sie helfen ihm beim Schütten seiner Informell-Malerei. Feuer Kunstaktion im Polarkreis, Island - 2006 Foto: Emil Pór Sigurdsson
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