Rudolf L. Reiter

Seite I 179 gleichen Bild Schemenhaftes, Entfliehendes, sich in der Ferne verlierendes gegen konstruktive Elemente, ja gegen geometrische Formen, vor allem in seinen Stillleben und Innenräumen, Körper sind statuarisch hineingestellt in den Landschaftsraum, in die Innenräume. Die Gestalt der „Victoria“, der Hauptfigur der platonischen Liebengeschichte des Norwegers Knut Hamsun, beschäftigt Reiter seit vielen Jahren: überall finden wir ihre Gestalt, ihr Gesicht, in wirklichen und unwirklichen Räumen, sehnsüchtig wartend, allein, ein Ausdruck hoffnungsvoller und hoffnungsloser Liebe. Um sie ist Leere, Einsamkeit und – Angst. Ist es Zukunftsangst? Reiter sagte in einem anderen Interview: „Ich habe Angst, plötzlich nicht mehr alles schaffen zu können in dem mir zur Verfügung stehenden Zeitraum“. So sind Reiters Acrylbilder, seine Farbzeichnungen und Aquarelle auch Dichtungen, spätromantische und auch „moderne“ Bild-Dichtungen. Man sieht seinen Arbeiten nicht die Mühe an, die er dafür verwendet. James McNeill Whistler, der wichtige amerikanische Maler, der die Hauptzeit seines Lebens in England und Frankreich verbrachte und dessen Bedeutung in den zurückliegenden Jahren unterschiedlichste Wertungen erfuhr (er lebte von 1834 bis 1903 und verband dekorative Farbharmonien mit zunehmend impressionistischen Formauflösungen), sagte einmal in einer seiner berühmt gewordenen „10-Uhr-Vorlesungen“: „Ein Gemälde ist fertig, wenn alle Spuren der Mittel, die bei seiner Vollendung gebraucht wurden, verschwunden sind. Fleiß ist in der Kunst eine Notwendigkeit, keine Tugend, und jede Spur desselben auf dem Werk ist ein Tadel, kein Vorzug, ein Beweis nicht des gelungenen, sondern des absolut ungenügenden Werkes, denn zur Arbeit gehört auch, ihre Spuren zu beseitigen“. Rudolf L. Reiter ist ein fleißiger Maler. Nirgendwo entdecken wir in seinen Bildern Spuren seiner Arbeit, Spuren der angewandten Technik oder seiner Mittel. So soll das alles sein Geheimnis bleiben. Nur eines müssen wir festhalten: in einer Zeit, da die Spritzpistole nicht nur den Werbegraphikern, sondern auch vielen „Malern“ so leicht in der Hand liegt, stellt sich für Reiter

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