Rudolf L. Reiter

Seite I 176 Faune singen. Die eigentliche romantische Stimmung besteht doch darin – (als sehnsuchtsvolle Erfassung von etwas, was man nicht wirklich mit den Händen greifen kann), dass die Formen zu unabhängig, selbständigen Produkten des Geistes werden. Es sind Formen an sich, sogar abstrakte Konstruktionen. Diesen Formen und Konstruktionen prägte man Inhalte auf, irrationale Inhalte – und diese verlangen äußerste Hingabe im Nachempfinden und Nacherleben. In dieser nun rein geistigen Form fühlte man die neue Freiheit des Individuums, die Freiheit der subjektiven Selbstverwirklichung und man fühlte sich losgelöst von allen Ansprüchen einer Wirklichkeit. Man spürte die innerliche Losgelöstheit sogar gegenüber der Natur, wie ein Entfernen von ihr als Idealität. So wurde bei den Romantikern die Natur zur Ferne – und das ergab als letzte Konsequenz das Eingeständnis der Sentimentalität der Natur als ein Wunschbild des freien Geistes. Und damit ist die Natur das Produkt des menschlichen Geistes. In diesem Sinn die Beziehung zur Natur als eigentlichen Bildinhalt gewonnen zu haben, das ist das außerordentliche Verdienst der großen Maler, die wir bereits genannt haben. Die im Ursprung „Deutsche Bewegung“ erfasste ganz Europa in allen geistigen und künstlerischen Bereichen und sie hat fortgewirkt bis auf den heutigen Tag. Plötzlich brechen die Grundideen unverhofft aus dem Dschungel modischer Entwicklungen und stifteten erhebliche Verwirrung. Mit der fortschreitenden Zeit und den großen Veränderungen, die in ihrem Gefolge stattfanden, waren die Beziehungen der Menschen zur Natur vielen Wandlungen unterworfen und nicht immer wirkte sich das für die Menschen und für die Natur gut aus. Im Verlauf unseres Jahrhunderts verdrängten wir die Natur immer mehr und nahmen sie als etwas hin, das man bei schönem Wetter genießt oder nur noch im Museum betrachtet oder eben in den Bildern der Romantiker – und das Ergebnis war die Zerstörung unserer Naturwelt. Zugleich sind aber in den letzen zwei Jahrzehnten in Deutschland Rückbesinnungen lebendig geworden, das „Zurück zur Natur“ bekam einen neuen Sinn. So finden wir jetzt bei uns vielfältige „romantische“ Arbeiten junger Künstler. Wir erkennen darin nicht die Abwendung von der Gegenwart, sondern vielmehr das Bewusstwerden eines geänderten

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