Rudolf L. Reiter
Die erschütterte Seele zur Ruhe kommen lassen Der Tod seiner Frau hat Rudolf Reiter bis in das Mark hinein erschüttert. Aus dieser Erschütterung heraus, begann der vielseitige Künstler nach einer Zeit der Innerlichkeit neu zum Pinsel zu greifen. Er begann die Anfänge seiner Ehe bis zum Tod seiner Frau malerisch Revue passieren zu lassen. Mit einem lebensgroßen Porträt gestaltete er eine lebendige Erinnerung an seine Frau. Denn, wenn ein vertrauter Partner stirbt, muss der Hinterlassene sich gründlich und geduldig verabschieden und es gilt, dem Verstorbenen nicht nur in der Seele, sondern auch ganz konkret an einem Ort im eigenen Haus einen angemessenen Platz einzuräumen (z.B. Fotografie). Diese Aufgabe wärmt gerne alte Ängste auf, zu denen sich Schuldgefühle einstellen. „Das hätte ich noch tun sollen …“ Hinter all dem inneren Aufbäumen vermag der Hinterbliebene freilich zu erkennen, dass auch ihm stets das Ende droht und diese Einsicht ihm ein fragloses Dahinleben verwehrt. Krankheit und Tod werfen den Menschen aus einer vordergründigen Geborgenheit und lassen die Frage nach der Sinnerfüllung neu entstehen. Es drängt ihn zum Nachdenken über sich selbst und zur Entscheidung, was im Leben als Wesentliches ergriffen werden soll. (Haeffner, Anthropologie 1984) Angst und Freiheit wahrnehmen „Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Freiheit und Notwendigkeit“, schreibt der dänische Existenzphilosoph Sören Kierkegaard in „Begriff der Angst“ (BA, 1844). Der Mensch erfährt sich einerseits begrenzt und endlich, andererseits versucht er dauernd Grenzen zu überschreiten. Er richtet sich dabei auf das Unendliche aus. Nach Kierkegaard muss er sich in dieser Spannung erkennen, annehmen und verwirklichen. Doch beeinträchtigt dieses Bemühen eine Art von Sog, der es ihm schwer macht, die rechte Balance zu finden (Philosophie des 19. Jh. Grundkurs Bd. 9, Kohlhammer, 1984). Seite I 17
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