Rudolf L. Reiter
als ursprüngliche Aufgabe zu jeder Zeit (Philosophie, dtv-Atlas, 2007). Was aber geschieht, wenn der Mensch im Prozess seiner Selbstbestimmung durch Krankheit und Unfall überrascht wird? Die Wunden meiner Seele – zur Anthropologie „Warum, warum gerade ich und meine Familie?“ Ein „Warum“ andenken kann auch nur der Mensch. Eine müßige Frage werden viele sagen, weil sie die körperliche Unversehrtheit nicht wieder zurückzubringen vermag. In der Bibel bezeugt Hiob die Ausweglosigkeit der Situation und Jesus schreit am Kreuz selbst (Mt 27,46): „Eli eli lema sabachtani“ – „Warum Herr, hast du mich verlassen?“ Im Leben des international bekannten Künstlers Rudolf L. Reiter bestimmen die Kräfte der Natur und zahllose Schicksalsschläge das vielseitige Werk. Die Verfolgung von Angehörigen in der Nazizeit, ein verheerender Hausbrand und der frühe Tod seiner kunstbegeisterten Gattin und Galeristin Hilde Reiter. Das Credo Joseph Beuys „Zeige deine Wunde“, um durch die Kunst geheilt zu werden, dieser religiös-spirituell fundierte Leitgedanke hat auch Rudolf L. Reiters Werk über die Jahrzehnte hinweg motiviert. Wunden können eitern, stinken und dauerhaft schmerzen. Wie kann dann Kunst den Schmerz verwandeln? In der intensiven Auseinandersetzung mit Philosophie, Farbe und Form sagt der Künstler, hat er einen Weg gefunden, dem erlebten Seelenschmerz eine gestalterische Form zu geben und ihn dadurch zu verändern. Die Frage nach dem Grund Doch gehen wir noch einmal auf die verzweifelte Frage erschütterter Menschen nach dem „Warum“ zurück. Denn hinter dem „Warum“ verbirgt sich eine der ältesten Fragen der Philosophiegeschichte, die schmerzliche und gleichzeitig Freiheit stiftende Frage nach dem „Grund“ des Daseins: „Warum leben wir? Warum ist etwas? Was wirkt hinter den Phänomenen? Seite I 13
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