Rudolf L. Reiter - Bilder, Objekte, Aktionen 1974-1994

zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke oder gar Tote erwartet. " Dem läßt sich noch hinzufügen, daß der Maler nach Friedrichs Auffassung sein Auge schließen solle, damit er sein Bild zuerst mit dem geistigen Auge sehe. Erst dann solle er zutage fördern, was er im Dunkeln gesehen habe, damit es auf andere von außen nach innen zurückwirke. Die deutsche Romantik zeichnet sich durch einen ausgeprägten Hang zur nachdenklichen Introspektion aus, die zu einer Erforschung der Seele und des Geistes führt, was letzten Endes in traditionellen Erscheinungsformen Gestalt annimmt. Ihr liegt Novalis Prinzip des inneren Gegensatzes - der Gedanke an den Tod noch im Über– schwang des Glücks - zugrunde. So wenig wie Caspar David Friedrich ist Rudolf L. Reiter ein Landschafts– maler im herkömmlichen Sinn des Wortes, auch wenn die Arbeitsweise beider Künstler die Beobachtung der Natur und der Naturerscheinungen einschließt. Denntrotz des Bemü– hens, die Natur in allihren Einzelhei– ten zu durchdringen, liegt ihrer Kunst nichts ferner als eine einfache, spon– tane Reaktion auf die unmittelbaren visuellen Eindrücke. Sie schränken die Auswahl ihrer Motive willentlich ein, so daß keine Naturporträts, son– dern Bearbeitungen der Natur hervor– gebracht werden, die der jeweiligen inneren Bildvorstellung unterworfen sind. Die Landschaften entstehen vor der Natur, die Maler nehmen aber nur die Elemente in das Bild hinein, die funktionell notwendig sind. Alles Zufällige und Nebensächliche wird ausgeschaltet. So kann es passieren, daß in den Bildern Dinge enthalten sind, die überhaupt nicht im Blickfeld der Künstler lagen, ihnen jedoch für ihre Darstellung unentbehrlich schienen. Pflanzen und Gegenstände sind dazu bestimmt, etwas Anderes als ihre äußere Erscheinung zu verkörpern, vielmehr hinter dieser unmittelbaren Erscheinung eine geheime Bedeutung zu verbergen. Die Landschaft fungiert als Bedeutungsträger. Trotz des eher traditionellen Bild– aufbaus verwandelt sich bei ihnen die Natur in eine Metapher des irdischen Weges. So ist es nicht die schlichte Naturtreue, in der man die Arbeits– weise der Maler begreifen kann, sondern vielmehr die Dialektik des Symbolischen und der Realität. Die gewollte und betonte Dualität führt den Unterschied zwischen der greif– baren Wirklichkeit und der Traum– und Geisteswelt vor Augen. Der Betrachter ist aufgefordert, in die Bild- und Gefühlswelt der Gemälde einzutauchen. Gleichzeitig muß das Dargestellte aber auch den Betrachter ansprechen, ihn entweder zur Trauer, zur Freude, zum Schwermut oder Frohsinn bewegen. Friedrichs Hauptanliegen galt den von Nebel, Wolken und Licht der nordischen Natur hervorgebrachten Stimmungen und ihrer Verän– derungen im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten. Die südliche Landschaft Italiens oder Frankreichs erregte

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