Rudolf L. Reiter - Bis unsere Leben wieder eins sind
verarbeitete Sensibilisierung, ge– boren durch Spontanität und vi– brierendes Farbenspiel. Dieses ist - grob vereinfacht - ein Versuch, der Abstraktion Namen und Inhalte zu geben. Meine Landschaften und Lichtfel– der sind geboren aus der Sehn– sucht nach klassischer Ordnung und heiler Welt sowie dem Wunschdenken von romantischer Poesie, motiviert von der Sehn– sucht nach dem Unendlichen." Mir begegnen bei der Betrach– tung von Reiters Bildwelten im be– sonderen die morphologischen Wunder der antiken Mythologie, die schier unbegrenzt verwand– lungsfähig sind~ Formen, die sich in ihrer atemberaubenden Schön– heit immer wieder aufs Neue of– fenbaren, sich wie von selbst aus der Wirklichkeit in eine Traum– welt flüchten und somit ein Span– nungsfeld der Empfindungen bil– den, das mich jedes Mal wieder in seinen Bann zieht. Bei Reiter nimmt die Malerei - trotz eines tiefgreifenden gesell– schaftspolitischen Wandels - kei– neswegs Abschied von utopischen Träumen, er sucht geradezu nach einerneuen substantiellen mensch– lichen Identität, der Übereinstim– mung von Körper und Geist, und nur ganz wenigen Kunstschaffen– den gelingt es heute, dieses Szena– rium so eindrucksvoll auf die Lein– wand zu bannen -wie ihm. Speziell durch das Eintauchen in mythologische Metamorphosen oder traumatische Reflexionen dringt Reiter mit seiner Malerei in verschüttete Bewußtseinsebenen vor. Man kann sie förmlich spüren - die Symbole des Untergangs ebenso wie das Fanal der Wieder- gehurt. Dabei hilft ihm das feine Gespür für den dramatischen Um– bruch in gleichem Maße wie die Hinwendung zur konkreten Uto– pie, um neue universelle Begriffe zu schaffen, die auf den Betrach– ter geheimnisvoll und rätselhaft wirken. Demzufolge ist es wichtig, sich Reiters Werken völlig unvor– eingenommen und emotionslos zu nähern, stellen sich doch die Emo– tionen beim Zuschauer ganz von selbst ein - seine Bilder lassen kei– nen unberührt! Mit breitem Pinselstrich in ge– stischer Manier erfaßt der Künst– ler seine Intuition, noch überhöht durch die bestechend lebhafte Farbwahl, mit der es ihm gelingt, die Bildaussage zu erweitern. Hier erkennt man das feine Gespür für den dramatischen Umbruch eben– so wie die Hinwendung zur kon– kreten Utopie, um auf diesem Wege neue individuelle Aussagen zu schaffen. In dieser seiner sensi– blen, intellektuellen Vorgehens– weise führt uns Reiter zu Szenari– en, die anmutige tänzerische Se– quenzen in schwungvolle maleri– sehe Bewegungsabläufe umsetzen, reflektiert er in seinen Sujets die unterschiedlichsten menschlichen Prozesse in deren gesamten Dra– maturgie zwischen Geburt und Tod, werden unübersehbar latente Ängste sichtbar, wirken auf mich diejenigen Arbeiten am überzeu– gendsten, in denen deutliche Ver– luste spürbar werden. Diese künstlerische Sehweise ist in der dargebotenen Form keines– wegs ein zentrales Ausdrucksmit– tel der Gegenwartskunst, sondern - ganz im Gegenteil - Rudolf L. Reiters ureigener Weg innerhalb der zeitgenössischen Malerei, um 9 auf diese Weise neu zu akzentu– ieren, am Wandel der aktuellen Kunstszene aktiv mitzuwirken und deutliche, unübersehbare Zeichen zu setzen. Auf diesem Gebiet erweist sich Reiter als Meister seines Metiers, indem er die Wirklichkeit mit Hof– fen und Bangen erschüttert und dadurch in seinen Bildern über sich hinauswächst - hin zu einem Kunstschaffenden, in dessen Werk sich vorbildliche Gestaltung, intui– tive Empfindung und dramaturgi– sche Vorstellungen wie in einem sinnbildlichen Gefäß sammeln und verdichten, die uns als Betrachter im Ergebnis nachhaltig bewegen und berühren. Während sich heute der inter– nationale Kunstbetrieb aufgrund des Fehlens eines prägenden Stils in fieberhafter Hektik befindet, der ständigen Suche, jenen Verlust zu kompensieren durch das Pro– pagieren und Lancieren angeblich neuer künstlerischer Strömungen, die über jenen Mangel hinwegtäu– schen sollen, offenbaren sich Rudolf L. Reiters Bildwelten als Kunstwerke von Rang, delikat ge– malt, von höchstem formalem wie farblichem Raffinement, als echte kreative Marker im 21. Jahrhun– dert, die in die Zukunft weisen. Prof. Franz Schilke, München
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