Rudolf L. Reiter - Bis unsere Leben wieder eins sind
RUDOLF L. REITER Gerade am Beginn des 21. Jahr– hunderts zeigt sich die zeitgenössi– sche Kunstszene in einem struktu– rellen Wandel, der nach Überwin– dung aller doktrinären Formen deutliche zukunftsorientierte Neu– ansätze offenbart, die sich einer– seits an zurückliegende Epochen anlehnen, andererseits formal wie inhaltlich mit der Vergangenheit auf Distanz gehen, um auf diesem Wege neue Sehweisen zu schaffen und die Gegenwartskunst nach allen Richtungen zu öffnen, damit die dadurch gewonnenen entschei– denden Impulse auch wahrgenom– men und weitergeführt werden können. Einer, der heute offen durch seine Bildwelten proklamiert, die vorherrschenden Erscheinungsfor– men der Gegenwartskunst neu be– leben zu wollen, ist fraglos Rudolf L. Reiter. Er gehört zu denjenigen international tätigen Kunstschaf– fenden, die angetreten sind, zum Wandel innerhalb der zeitgenössi– schen Kunst Entscheidendes bei– zutragen. Viele sahen bisher in Reiter erstlinig einen wichtigen Vertreter der romantischen Malerei, der als europäisches Pendant zur Neo– Konzeptkunst amerikanischer Prä– gung Bilder voller Schönheit und Harmonie schuf. Ich glaube je– doch, daß dieser Stilbegriff für Reiters Oeuvre zu eng gefaßt ist, daß seine Arbeiten weit mehr bei jenen Sigmar Polkes oder Gerhard Richters anzusiedeln sind. Demzu– folge zähle ich ihn bereits heute aufgrund seiner vielschichtigen Gesamtstrategie zu einer der au– genfälligsten und beachtenswerte– sten Erscheinungen im Bereich des Neuen Deutschen Abstrakten Expressionismus. Gerade Rudolf L. Reiters Expe– rimentierfreudigkeit, die Grenzen zwischen Abstraktionen und Rea– lität immer wieder unter den ver– schiedensten Gesichtspunkten aus– zuloten und neu zu definieren, zeigt das stetige Bemühen, seiner Bildwelt andere, noch nie dagewe– sene Inhalte zu verleihen. Hier setzt der Künstler sein ganzes kreatives Können ein, um im risi– koreichen Spannungsfeld mit Far– ben, Formen und Inhalten rea– litätsnahe Bezüge mit traumati– schen Empfindungen spontan im Bild zu vernetzten. Dabei sucht Reiter ganz bewußt die Konfrontation, will durchaus provozieren, um auf diese Weise gegen Schalheit und wachsende Empfindungsverluste zu reagie– ren. Die Aachener Kunsthistorikerin Gabriele Uelsberg ist der Auffas– sung, daß Reiter in seinen infor– mell-abstrakten Werken zu einer Bildsprache gefunden hat, die es ihm ermöglicht, seine künstleri– sche Ausdrucksfähigkeit vehemen– ter und spontaner auszuleben, 8 ohne Präzision und Delikatesse zu verlieren. Nach ihrem Empfinden ist diese Entwicklung von den ersten eher naturalistischen Bildmotiven über die phantastischen Traumland– schaften bis hin zu rein gegen– standslosen, informellen Bildfin– dungen vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich, läßt sich aber im Rückblick auf den künstleri– schen Werdegang Reiters als na– hezu zwangsläufig ablesen. Dem gegenüber glaubt Profes– sor Horst Schüppel, daß Reiter seine Aufgabe vor allem darin sähe, die Lücke zwischen dem In– tellektuellen, zwischen der formel– und wissenschaftsanbetenden Ra– tio zu schließen durch Sensibilisie– rung. Humanität steht - laut Schüppel - für Reiter über dem ra– tioanbetenden Verstand des Intel– lektes, wobei des Künstlers Irra– tionalität in seinen Inhalten in be– sonderem Maße das Nacherleben, das Nachersinnen erfordert und man durch den Künstler das Indi– viduum in sich wachsen fühlt, das auch die Kraft hat, die Natur zum Wunschbild des freien Geistes schaffen zu können. Rudolf L. Reiter erweitert jene Interpretation durch nachfolgende sehr persönliche Ausführungen, bringt uns damit seine Visionen nahe: "Die abstrakten Bilder zei– gen meine Realitätsempfindungen aus der durchlebten Jetztzeit- un-
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