Rudolf L. Reiter - Bis unsere Leben wieder eins sind

»Ich glaube, daß es für jedes Bild den Mensch gibt, für den genau dieses Bild geschaffen wurde. Ich meine damit nicht, daß dieser Mensch dieses Bild ge– nauso sieht wie ich es sehe, aber er kann sich eben auf seine Weise mit dem Bild identifizieren«. Rudolf L. Reiter ist ein Maler, der den Dialog sucht, den Dialog provozieren will: seit Beginn seines Schaffens ist ihm das auch immer wieder gelungen. Die optische Ruhe in seinen Landschaftsbildern ist trügerisch. Der »Dunst– schleier«, der darüber liegt, das Verschwommene der Konturen, der oft sehr schwer auszumachende Übergang von der Erde zum Firmament reizt zu der Frage »was will er eigentlich?«. Denn der Betrachter spürt ganz deutlich, daß es Reiter um mehr geht als um eine optisch-ästhetische Befriedigung. Rudolf L. Reiter stellt sich in eine Reihe mit den »Romantikern«, z. B. Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich (dessen Spur er gerade auf der Insel Rügen folgte) oder auch mit dem englischen Landschaftsmaler William Turner. Ge– meinsam ist die ausgeprägte individuelle Hinwendung zur Natur, in die der Mensch eingebettet ist, nicht der Dirigent sondern ein Mitspieler. Landschaft wird zum ganz persönlichen »Stimmungsbarometer« und gewinnt damit einen neuen Stellenwert. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war es möglich, nach Aufklärung und Klassizis– mus quasi »naiv und unschuldig« zur Natur zurückzufinden, und die Vereinigung des Rationalen, Vernünftigen mit dem Gefühl, und dem, was unbewußt in der menschlichen Seele schlummert, anzugehen und künstlerisch umzusetzen. Für den im erweiterten Schlegelsehen Sinne »modernen Romantiker« Reiter ist die Ausgangslage sehr viel schwieriger. Die Ratio ist an ihre Grenze gestoßen, der »Fortschritt« ein Bumerang, der, wenn vielleicht auch ohne Vorsatz, den Raum zerstört, der dem Menschen »auf Zeit« gegeben ist. »Landschaft« gleich »Erde« wird zur Beschwörungsformel, ist konkret und ab– strakt zugleich, der Mensch erscheint als »starre« Figur, verloren und allein ge– lassen mit seinen Gefühlen. Es ist kein Zufall, daß sich Reiter in die >>Victoria« von Knut Hamsun verliebt hat. Sie, die unglücklich Liebende, konnte er in Land– schaften ansiedeln, die »seine Seele schon durchwandert hat, obwohl der Kör– per gar nicht dabei war«. >>Victoria« ist die Idee, vielleicht auch die Utopie jener anderen Hälfte, die aus zwei Teilen erst ein richtiges Ganzes werden läßt. Wer Reiter »verstehen« will, sollte von seiner Überzeugung wissen, daß die See– le unsterblich ist, von seiner Hoffnung, daß die »geistige Dimension« im irdi– schen Leben trotz allem anwesend und wirksam bleibt, daß es eine höhere Macht gibt, die vorbestimmt, was aus dir wird. Trotzdem, die Angst bleibt. Rei– ter wird gepeinigt von der Vorstellung, daß er nicht mehralldas schaffen kann, was er an Bildern und Visionen in sich trägt.

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